Fürsprecher und Anwalt der Menschen seiner Heimat:
Reinhold Zumtobel (24.02.1878 - 27.09.1953)
Freiburger Tagblatt, hier nach: Volkswacht vom 08.10.1920; aus der Orts-Chronik von 1985; Original-Text: Heiner Baur
»Gestern nachmittag beendete Reinhold Zumtobel, der noch vor wenigen Tagen in seiner Heimatgemeinde weilte, seine letzte Wanderung, die ihn seinem Wunsch gemäß noch einmal durch die schönsten Strecken unserer Heimat führte. Empfangen und betrauert von einer großen Trauergemeinde wurde er vom Eingang der Gemeinde Hausen zu seiner letzten Ruhestätte geleitet.«
So berichtet das »Markgräfler Tagblatt« Anfang Oktober 1953.
Reinhold Zumtobel war ein Aufrechter, der auch 1933 seiner religiösen und politischen Überzeugung treu blieb, während bei so manchem damaligen Zeitgenossen die weltanschauliche Gratwanderung begann.
»Wie so viele seiner Mitstreiter, die im Kaiserreich die Sozialistenhatz, später in der Weimarer Republik die Diffamierungskampagnen von rechts und in der braunen Diktatur die Verfolgung zu überstehen hatten, war der Hausener Zumtobel einer von jenen, die das andere Deutschland verkörperten.« (Der Verfasser im MT vom 06.06.1980)
Am 24. Februar 1878 geboren, wuchs Reinhold Zumtobel in geordneten Verhältnissen auf, ja die Familie lebte in einem bescheidenen Wohlstand. Mehr und mehr litt das Familienleben aber unter der Alkoholabhängigkeit des Vaters. Sie führte zum Ruin der Existenzgrundlage und in anhaltende bittere Not. Nach dem frühen Ableben der Mutter wurden die Kinder, Zumtobel hatte vier Geschwister, auseinandergerissen. Reinhold fiel als »Gemeindebub« der Wohlfahrtspflege der Gemeinde wie man es damals ansah, zur Last. Mit 13 Jahren erhielt er eine Tätigkeit in der Ziegelei, später wurde er Fabrikarbeiter. Dankbar erinnert sich der spätere Ehrenbürger von Hausen: »Der Aufstieg vom Gemeindebub zum Ehrenbürger ist gewiß kein alltäglicher Vorgang, daß mir durch Gottes Ratschluß dieser Weg vorbehalten war, ist der bleibenden Erinnerung wert. Kinder, die unter so traurigen Verhältnissen ohne elterliche Liebe und Pflege aufwachsen, sinken zum großen Teil zum Bodensatz der Gesellschaft.« Seine persönlichen Erfahrungen bewogen ihn wohl auch, sich der Bewegung anzuschließen, deren Ziel es war, die abhängig Arbeitenden von materieller Not und politischer Unmündigkeit zu befreien. Zumtobel wurde zum führenden Kopf der SPD im Hebeldorf und darüber hinaus zu einer tragenden Säule im Bezirksverband Schopfheim. Er schrieb für die sozialdemokratische Presse, er trat als Referent in den Ortsvereinen des Wiesen- und des Rheintales und im Hotzenwald auf, die Partei nominierte ihn zum Landtagskandidaten. Die badische SPD bewirkte offenbar seine Zulassung an der stark besuchten Berliner Parteischule. Das Ziel dieser Schule bestand darin, begabte junge Sozialdemokraten für Führungspositionen im Parteiapparat auszubilden und das notwendige Allgemeinwissen zu vermitteln. Nach erfolgreichem Examen erhielt Zumtobel einen Ruf an die erste sozialdemokratische Tageszeitung in Freiburg, die »Volkswacht«. Als hauptverantwortlicher politischer Schriftleiter der Zeitung für das »werktätige Volk Oberbadens« prägte er die Entwicklung dieses bedeutenden Freiburger Blattes maßgeblich. Das Verbreitungsgebiet der »Volkswacht« reichte bis in das Bezirksamt Schopfheim. Die journalistische Tagesarbeit brachte manchen Konflikt mit sich. So wurde der politische Schriftleiter jahrelang mit Prozessen überzogen, weil er kurz vor dem l. Weltkrieg einen nicht signierten antimilitaristischen Artikel von Rosa Luxemburg gebracht hatte. Auf dem 1. Reichsrätekongreß in Berlin (16. 12. - 21. 12. 1918) war Zumtobel einer der badischen Delegierten, nach der innenpolitischen Normalisierung gehörte er dem Stadtrat von Freiburg bis zum Verbot der SPD im Jahre 1933 an. Zeitlebens blieb Reinhold Zumtobel seiner Heimatgemeinde und ihrem großen Sohn Johann Peter Hebel verbunden. So hielt er im Rahmen des 800jährigen Stadtjubiläums von Freiburg 1920 einen bemerkenswerten Vortrag, in dem er sich mit Hebel befaßte. Als der Terror von 1933 sein politisches und journalistisches Wirken in Freiburg beendete, kam er, verfolgt und mit Berufsverbot belegt, als Landhelfer und als Mitarbeiter an »Feldbergs Töchterlein«, der Sonntagsbeilage des MT, in die Heimat zurück. Hier übernahm er auch die redaktionelle Gestaltung des Ortsbuches von G. Behringer. Außerdem erschienen von Zumtobel »Mit Hebel in der Heimat« und seine Lebensbeschreibung »Vom Gemeindebub zum Ehrenbürger«. 1949 verlieh seine Heimatgemeinde ihm das Ehrenbürgerrecht, ein Jahr später ernannte ihn die Hebelmusik in »Würdigung der Verdienste um ihre Entwicklung« zum Ehrenmitglied. Endlich bekam Zumtobel am 10. Mai 1953 aus den Händen des ersten baden-württembergischen Kultusministers den Hebelpreis. Die südbadische Regierung dagegen war auf den mehrmaligen Vorschlag der Wiesentäler Hebelfreunde nie eingegangen.
Eine treffende und schöne Charakterisierung der Person Zumtobels steht auf seinem Grabstein: »Ein Sohn des Volkes wollte er sein und bleiben.«
Das Urteil der journalistischen Konkurrenz über Zumtobels Hebel-Vortrag von 1920:
»Der Vortrag des Herrn Stadtrates Zumtobel über des alemannischen Dichters Persönlichkeit und Werke war von besonderer Art, prachtvoll, frisch und unzimperlich,
so dass man vom Geiste Hebels einen Hauch verspürte.«