50 Jahre Tempo 50 - Ein Hausener gab Gas gegen die Raserei

Oskar Rümmele (6.05.1890 - 29.06.1975)

Oskar Rümmele war ein zäher Bursche. Der Bundestagsabgeordnete aus Hinterzarten wurde 1957 Vorsitzender des Verkehrsausschusses - und schrieb sich die Einführung von Tempo 50 auf die Fahnen. In geschlossenen Ortschaften sollte keiner mehr rasen dürfen. Von Autoindustrie und ADAC wurde Rümmele bekämpft und von manchen als unwissender Waldgnom beschimpft. Doch trotz des massiven Widerstands wurde das Gesetz eingeführt. Bald danach war allein die Zahl der Verkehrstoten um 20 Prozent gesunken. Oskar Rümmele hatte Recht behalten.

Vorbei die Zeiten unbeschwerter Raserei von freien Bürgern in einem freien Staat:
am 1. September 1957 trat in der Bundesrepublik Deutschland das erste Tempolimit in Kraft: Innerhalb geschlossener Ortschaften durfte nicht schneller als mit 50 km/h gefahren werden.
Bis dahin gab es überhaupt keine Geschwindigkeitsbeschränkungen, weder für Pkw noch für Lkw und Motorräder. Die durften nach der Gründung der BRD tatsächlich so schnell fahren, wie sie konnten.

Die große Freiheit

Die große Freiheit war eine Reaktion auf die Tempobeschränkungen der Nationalsozialisten. Diese hatten zur Schonung der Benzinvorräte Tempo 40 für die Stadt und Tempo 80 außerorts sowie Tempo 60 für Lastwagen und Omnibusse angeordnet. In den 50er-Jahren startete das deutsche Wirtschaftswunder: Das Land motorisierte sich, hauptsächlich mit Kleinrollern und Kleinwagen, ganz ohne Knautschzonen. 1955 wurden 12.000 Verkehrstote gemeldet (2006: 5094), 1956 erschien eine Statistik, nach der an jedem Tag 18 Menschen im Stadtverkehr starben.

Mit 50 zum Zusammenbruch?

Nach dem Vorbild von Großbritannien (30 Meilen = 48 Km/H) und Österreich (50 km/h) regte der CDU-Politiker Oskar Rümmele eine Begrenzung auf Tempo 50 in der Stadt, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 90 auf Autobahnen an. Rümmele hatte sich als Vorsitzender des Verkehrsausschusses mit der europäischen Situation beschäftigt und konnte darauf verweisen, dass Großbritannien trotz einer viel höheren Verkehrsdichte 1955 nur 5000 Verkehrstote zu beklagen hatte. 1956 wurde sein Vorschlag heftig diskutiert. Laut protestierte etwa der ADAC, der den innerstädtischen Verkehr zusammenbrechen sah und den Ruin der deutschen Automobilindustrie prophezeite. Rümmele selbst wurde als hartnäckiger Schwarzwälder Holzhacker diffamiert, als Landei, das Angst vor dem Tempo der Großstädte hatte.

Oskar Rümmele im Jahre 1920, Foto: privat
Oskar Rümmele im Jahre 1920, Foto: privat

Der Urheber des Gesetzes ist ein gebürtiger Hausener

Er wurde am 6. Mai 1890 in Hausen im Wiesental geboren und wuchs in einer kinderreichen Arbeiterfamilie auf.
Nach dem Schulbesuch arbeitete Rümmele seit 1912 als Verbandssekretär bei den Evangelischen Arbeiter- und Volksvereinen in Baden, von 1914 bis 1918 nahm er als Soldat amErsten Weltkrieg teil.

Er war 1919/20 Geschäftsführer derChristlichen Gewerkschaften in Ulm, von 1920 bis 1924 Vorsitzender des Badischen Eisenbahner-Verbandes und von 1924 bis 1933 Vorsitzender derChristlichen Gewerkschaft Deutscher Eisenbahner (CGDE) sowie des Gesamtverbandes Deutscher Verkehrs- und Staatsbediensteter in Berlin.

Im Zuge der Auflösung der Gewerkschaften durch die Nazis 1935 wurde er entlassen und ließ sich in Hinterzarten als Handelsvertreter nieder. Wiederholt wurde der Protestant wegen Nazifeindschaft verfolgt.

Von 1948 bis 1951 war er Bürgermeister von Hinterzarten und wurde 1949 als CDU-Abgeordneter in den Bundestag gewählt, wo er später Vorsitzender des Verkehrsausschusses war. Er gehörte dem Parlament seit dessen erster Wahl von 1949 als Vertreter des Wahlkreises Offenburg bis 1957 an. Im selben Jahr übernahm er die Leitung der wieder gegründeten Eisenbahnergewerkschaft in Südbaden.
Wegen der vielen Verkehrstoten kämpfte er als Abgeordneter letztlich doch erfolgreich für das "Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge" . Sein Ziel war die Einführung von Tempo 50 in Ortschaften, 80 außerhalb von Ortschaften und höchstens 90 auf Autobahnen. 1956 widmete ihm der "Spiegel" sogar eine Titelgeschichte. Die Einschränkung der freien Fahrt war damals umstritten, die FAZ plädierte stattdessen für verschärfte Führerscheinprüfungen, diverse Politiker und Gutachter für einen besseren Ausbau der Strassen.
Rümmele gab dem Geschwindigkeitsbegrenzungsgesetz jedoch den Vorrang - 1957 trat das Gesetz schließlich in Kraft, von da an durfte im Ort nur noch "50" gefahren werden. Das Tempolimit für Autobahnen kam nicht.
"Die meisten Abgeordneten sind auch dem Teufel der Raserei verfallen", befand Oskar Rümmele, der seine Sprache gerne mit Zitaten aus den Kalendergeschichten seines Landsmannes J. P. Hebel würzte.

Am 29. Juni 1975 ist er in Waldkirch verstorben.